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Haupttäter lebt bis heute unbehelligt in Türkei

5. November 2017: Drei Männer und zwei Frauen sind  an dem Überfall des Spätis in der Berliner Bundesallee beteiligt. Die Täter lauern  der 53-jährigen Hoan N. nach ihrer Schicht im Spätkauf auf. Die kleine, schmale Frau war den Tätern aufgefallen, als sie im Spätkauf neben der Tankstelle kurz etwas aussuchten, um auf der  Spritztour mit einem geliehenen Audi Q5 etwas zum Trinken zu haben. Als sie die nach einem Schlaganfall langsame und schwerfällige Frau bei der Wechselgeldherausgabe beobachten, nimmt die Frau aus ihrer Schürze ein Bündel mit Fünf- und Zehn-Euro-Scheinen. Der Überfall nimmt Gestalt an, denn Geld können sie immer gebrauchen. Per Telefon rufen sie den mehrfach vorbestraften Mahmut A. an, der unter Führunsaufsicht steht und besondern beaufsichtigt werden soll. Trotzdem kommt er sofort.

Um 22.45 Uhr wird Hoan T. gerade von ihrem Ehemann im Späti abgelöst. Es ist ein Sonntag, der umsatzstärkste Tag der Woche. Die  Vietnamesin ist auf dem Weg zu ihrem ganz inder Nähe gelegenen Wohnhaus. Sie muß nur gemächlich über den Mieterparkplatz zur Haustür gehen, als plötzlich ein dunkel gekleideter, großer Mann vor ihr steht und sie mit einem langen Messer bedroht. Das ist laut Zeugenaussagen Mahmut A. (21), einschlägig vorbestraft. Er will der kranken Frau die Tageseinnahmen rauben. Doch die zarte 53-jährige leistet Widerstand. Sie will das mühsam verdiente Geld nicht hergeben – und ruft aus Leibeskräften ihren Sohn um Hilfe. Sie weiß, dass er zu Hause ist. „Duc!“, schreit sie immer wieder. Der 21-jährige hört die Hilferufe seiner Mutter und rennt an dem kalten Novemberabend barfuß aus der Erdgeschosswohnung,  um seiner Mama zu Hilfe zu eilen.

Duc T. findet seine Mutter, wie sie  vor der Haustür steht. Der stämmige dunkle Mann bedroht sie mit einem langen Messer. Duc greift den Räuber an, überwältigt ihn und nimmt ihn in den Schwitzkasten. Ein Mittäter kommt seinem Komplicen zu Hilfe und befreit ihn.  Duc flüchtet, doch Mahmut A. verfolgt ihn und soll sein Messer dem jungen Vietnamesen in den Hals gestochen haben. Ein Hausbewohner, der auf den Hof sieht, ruft „Verpisst Euch!“. Die beiden dunklen Gestalten flüchten. Mit ihren drei Komplicen flüchten sie im Audi Q5. Mahmut A. soll geprahlt haben: „Ich habe den Vietnamesen alle gemacht!“ Noch auf dem Parkplatz erliegt der jüngste Sohn der Familie T. seinen Verletzungen. Die beiden Haupttäter flüchten, einer in den Libanon. Nach einem Jahr ist er wieder da und Stellt sich den deutschen Behörden. Der mutmaßliche Messerstecher A. muss bis heute nicht für seine Tat büßen. Die von ihm genutzten sozialen Medien geben den Ermittlern den ernstzunehmenden Hinweis, dass der jugendliche Intensivtäter A. in der Türkei lebt und mutmaßlich Polizist ist. Aber die Türkei liefert, ebenso Deutschland, ihre Staatsbürger nicht aus.

Der vorbestrafte Angeklagte Hussein R. (23) hatte sich am Tatabend von seinem Bruder dessen Hochzeitsauto ausgeliehen. Im angemieteten Audi Q 5 soll er mit den beiden beschuldigten jungen Frauen und einem Freund eine Spritztour gemacht haben, der kurz im Späti einkaufen ist. Später soll Hussein R. seinen Freund abgesetzt haben, doch der Bericht des Kumpels von der unbeholfenen Verkäuferin und ihrem Geldscheinbündel soll ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen sein. „Okay, wir machen das jetzt!“, soll er irgendwann gesagt haben. Geldnot oder Drogensucht sollen das Motiv für den Überfall gewesen sein.

Hussein R. soll auf die Idee gekommen sein, Mahmut A. als  Mittäter für den Überfall zu gewinnen. Der zur Tatzeit 20-jährige A. war bekannt dafür, dass er nicht zimperlich war: mehr als einem Dutzend Eintragungen im Strafregister, darunter Jugendstrafen wegen Raubüberfällen und Körperverletzung hatte er auf dem Kerbholz... A.´s Vater bezeichnet als Zeuge  im Prozess den eigenen Sohn als "Psychopathen". Die Richter sehen ihn ungläubig an. Für A. gilt obendrein eine „vollziehbare Ausreisepflicht“. Der Schwerkriminelle hätte also weit vor dem mutmaßlichen Raubmord in der Bundesallee in die Türkei abgeschoben werden können. Am Tatabend wurde A. in den Q5 geladen und zur Sicherheit noch Moussa E. mitgenommen, neun Mal vorbestraft und ebenfalls im Wedding wohnend. Dann fahren die drei Männer und zwei Frauen direkt zum Späti in der Bundesallee. Das blutige Messer, mit dem  Duc T. getötet wird, wird auf der Flucht an der Nordhafenbrücke im Wedding in den Spandauer Schifffahrtskanal geworfen.

In den nächsten Wochen stellen sich der Fahrer des Q5 und die beiden Frauen, die mit im Auto saßen, der Polizei.   

2018 werden vom Berliner Landgericht die Frauen zu Bewährungsstrafen verurteilt. Der 24-jährige Fahrer des Fluchtautos wird im selben Prozess als "treibende Kraft" für den Überfall zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt.

Zu fünf Jahren und neun Monaten wird später der mehrfach vorbestrafte Moussa E. verurteilt wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung und fahrlässiger Tötung. Er war in den Libanon geflüchtet und später nach Deutschland später zurück gekommen. Der Vorwurf, den Sohn der Späti-Betreiberin ermordet zu haben, wie ursprünglich angeklagt, läßt sich für das Gericht nicht mit ausreichender Sicherheit belegen, heißt es im Urteil.


Die überfallene Mutter hatte den Tod ihrer jüngsten Sohnes miterleben müssen. Kurz darauf erleidet die Vietnamesin einen Schlaganfall - bis heute ist nicht ausgeschlossen, dass der Überfall Auslöser war. Das Raubopfer liegt in einer Art Wachkoma und ist ein Pflegefall, die rechte Seite ist gelähmt. Sie wird künstlich ernährt und kann nicht selbstständig im Rollstuhl sitzen, weil sie ihren Hals nicht halten kann“, sagt ihre 31-jährige Tochter Hai. Sie, ihre Schwester H. (33), ihr Bruder Trung (25) und der Mann der jetzt Schwerstbehinderten kümmern sich in einer Pflegeeinrichtung um Hoan T. Neben ihrer Trauer und den gravierenden psychischen Folgen muss die Familie teilweise die finanziellen Kosten der Tatfolgen allein stemmen.

Familie T. ist in Deutschland gut integriert. Vater und Mutter der Familie arbeiteten im vor kurzem aufgegebenen Spätkauf. Ihre vier Kinder machten nach der Schule Ausbildungen: Eine der Töchter ist Assistentin der Geschäftsführung eines Berliner Unternehmens. Der bei dem Überfall ermordete 21-jährige Duc hatte zuvor bei einem Patentanwalt seine Arbeit begonnen. Der Überfall hat die Familie weitgehend zerstört, die Familienwohnung wurde aufgegeben und Vater T. wohnt bei seinem Sohn Trung sagt nach der Verurteilung des vierten Mittäters:

 "Ich bin enttäuscht, natürlich! Wir leben in dem hoch angesehenen Deutschland. Wir sind sehr traurig, dass der Haupttäter nicht einmal verurteilt werden kann. Wir quälen uns hier zum Prozess. Das macht einen ziemlich fertig. Sprachlos. Der mutmaßlichen Haupttäter waren ja auch noch vorbestraft. Da hätte man doch härter vorgehen müssen...

Ganz ehrlich:im November 2017  hat es meine Familie getroffen,  irgendwann kann es aber auch eine andere Familie treffen. Wenn da jetzt nicht gehandelt wird,  wird es immer so weitergehen. Im Endeffekt lachen die Täter darüber.

Ich erwarte von der Politik, dass sie uns Bürgern unter die Arme greift . Unsere Familie hat in Deutschland nie etwas verbrochen, wir sind nicht vorbestraft und dann wird uns so etwas angetan... Wir beten und hoffen natürlich auf die Hilfe von Oben. Aber wenn die ausbleibt, dann ist man halt hoffnungslos."

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